Dienstag, 8. Oktober 2013

Schreiben im Café

Erich Kästner hat es getan, Ernest Hemingway auch und Joanne K. Rowling sowieso. Die Geschichte, dass sie im Café schrieb, weil es in ihrer Wohnung zu kalt war – einen Stift in der einen Hand, die andere schaukelnd am Kinderwagen – ist legendär. Vielleicht war es aber auch nur der Nachschub an Kaffee, der immer direkt an den Tisch kam, der sie zum Schreiben dort bewog.

Mir war das bisher fremd. Was soll ich da? Um mich schwatzende Leute, kreischende Kinder, und der Kaffee ist auch teurer als aus meiner Senseo. Außerdem vermeide ich Milchprodukte, und Kaffee Schwarz mag ich nicht. Und überhaupt, starren einen nicht alle komisch an, wenn man seinen Laptop aus der Tasche kramt und mit dem Tippen loslegt?

Man merkt, ich bin nicht oft in Cafés. Ein spontaner Besuch mit meiner Schwester bei Starbucks, um die einkaufsmüden Füße auszuruhen, belehrte mich eines besseren. Es gibt Sojamilch, es gibt WiFi, es gibt Steckdosen, es gibt bequeme Sessel in kräftigem Violett und undefinierbarem Braun, und es gibt jede Menge andere Leute mit Laptops. Schlimmstes Szenario könnte also nur sein: Ich kann nicht schreiben, bin genervt und habe ein-zwei Stunden sowie ein paar Euro verschwendet. Alles keine Katastrophe.

Heute habe ich mich also aufgemacht, um in die Fußstapfen all der berühmten Menschen zu treten, die in Cafés geschrieben haben. Ich habe mir Christopher Pike, meinen treuen Eee PC, geschnappt und bin bei strahlendem Sonnenschein losgeradelt.

Der Starbucks meiner Träume ist sehr idyllisch an der Fleischerbrücke an der Pegnitz gelegen. Wenn es warm genug ist, kann man sogar direkt am Fluss sitzen und es sich gut gehen lassen. Habe ich nicht getan – keine Steckdose (der Akku von Pike ist mittlerweile altersschwach) und zu viel Sonne auf dem Bildschirm.

Als erstes wird die Droge fast jeden Schreiberlings besorgt – Kaffee. Auch wenn böse Zungen meinen, dass man die süße, flüssige Köstlichkeit in den großen Tassen nicht mehr Kaffee nennen dürfe. Außerdem gibt es zur Feier des Tages einen Muffin. Yummy. Damit ausgerüstet suche ich mir ein nettes Plätzchen. Mein vorher ausgespähter Platz in einem violetten dicken Plüschsessel ist bereits vergeben. Frechheit! Da will man die nächste Rowling werden, und dann das. Aber man ist ja flexibel, die Alternative hat keine Armlehnen, ist aber ebenfalls bequem.

Man beachte die Steckdose beim Tisch, das Tischchen ist perfekt für den Griff zur Kaffeetasse. Der Muffin war, wie ich gestehen muss, zum Zeitpunkt des Fotos bereits verdampft. Bzzzzt, weg. Der Platz hat schon ein wenig was von Wohnzimmer, nicht wahr?
 
Mein erste Amtshandlung – Internetverbindung. Ha, sehr, sehr wichtig! Man könnte ja etwas nachschlagen müssen! Dringend! Oder mal eben einen Blog aufrufen oder Tumblr aktualisieren oder im Forum nachschauen, ob irgendjemand irgendetwas unglaublich Wichtiges gepostet hat oder schauen, ob der Wetterbericht sagt, dass das Wetter so schön ist, wie man es durch die Fenster sehen kann, oder...

Oder mal eben schreiben, denn dafür bin ich ja da. Auch in der Hoffnung, dass ich mich weniger vom Internet verführen lasse. Weg mit dem Browserfenster. Kusch, kusch!

Mein Blick nach draußen – perfekt idyllisch und inspirierend auf die Fleischerbrücke. Nicht auf dem Foto zu erkennen wegen zu hoher Helligkeit: die Türme der Lorenzkirche sieht man auch. Die wären rechts vom grünweißen Logo zu sehen.
 
Stimmengewirr umweht mich. Es riecht nach meinem leckeren Mocca. Hinter mir bespricht ein Pärchen in Englisch, was sie noch in Nürnberg anschauen wollen oder müssen. Rechts von mir diskutiert ein anderes Pärchen irgendwelche 'Verfehlungen' von ihm oder ihr oder beiden aus. Noch weiter hinter mir klackert leise eine Laptoptastatur. Klingeltöne diverser Handys wehen durch die Luft, Geschirr klirrt.

Ich starre mein Dokument an. Das kann ja heiter werden. Wie soll man sich hier konzentrieren?

Browserfenster wieder auf. Hat jemand im Forum geschrieben? Ist was auf Tumblr gepostet worden? Mist, ich habe vor kurzem meine Liste der Blogs, die ich verfolge, radikal gekürzt, um nicht so oft abgelenkt zu werden. Also: nein. Alles beim Alten. Browserfenster zu.

Und das links von dem Herrn mit hellblauem Hemd wäre mein Wunschplatz gewesen. Man kann nicht alles haben.
 
Finger auf die Tastatur. Ich tippe zaghaft einen Satz und lösche ihn wieder. Hinter mir diskutiert das Pärchen noch immer.

Ein weiterer Satz. Den lasse ich stehen, auch wenn er alles andere als perfekt ist.

Einer der Mitarbeiter holt neue Becher aus einem Lagerraum und lässt die Hälfte fallen. Zum Glück sind sie aus Pappe. Zum Glück noch verpackt.

Ich versuche, die Stimmen auszublenden. Was machen meine beiden Hauptcharaktere eigentlich gerade? Ah, ich habe sie in die Kanalisation geschickt. Mit den Verfolgern auf den Fersen. Draußen scheint die Sonne. Es riecht nach Kaffee. Bei meinen Lieben ist es feucht-kalt und es stinkt.

Der Atem bildet kleine Wölkchen. Ratten huschen gerade außerhalb des Lichtscheins einer Taschenlampe davon. Schritte hallen von den feuchten Wänden wieder. Wasser tröpfelt.

Ich schreibe weiter.

Mein Kaffeebecher wird leerer. Gut, dass bereits Starbucks' kleinste Tassen riesig sind.

Das Pärchen rechts von mir ist mittlerweile verschwunden. Die beiden, die Englisch sprachen, ebenfalls. Die Tastatur hinter mir klackert noch immer.

Schließlich kann ich nicht mehr sitzen. Daheim sitze ich selten so lang am Stück am PC. Hole mir zwischendurch mal einen Kaffee. Geh mal ins Bad. Mache irgendwas.

Die Kaffeetasse ist leer, die Blase drückt. Perfekt wäre jetzt jemand, der mit einem da wäre. Der auf die Sachen aufpassen kann, während ich mal eben nach 'hinten unten' verschwinden. Während ich mir einen zweiten Kaffee hole. Ist aber nicht. Schade. Also müsste ich alles wegpacken und mitnehmen. Ich beschließe, den Cafébesuch zu beenden.

Kritisch begutachte ich meinen Text. Zwei Stunden bin ich hier. Viel kann es nicht sein, was ich geschrieben habe. Ich lasse den Wortzähler drüberlaufen. Und starre überrascht auf die Zahl. 2494! Wow. Damit habe ich nicht gerechnet. Für mich ist das verdammt viel für zwei Stunden.

Die Sonne scheint. Ich war produktiv. Ich grinse bis über beide Ohren, als ich das Café verlasse. Die Fußstapfen zu verfolgen hat sich gelohnt. Morgen bin ich wieder hier.

Kästner, Hemingway und Rowling wissen schon, was gut ist.

2 Kommentare:

  1. Liebe Pandorah !

    Viele neue Musen für das Jahr 2014 wünscht dir herzlichst

    Andrea

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Andrea,

      vielen Dank für die lieben Wünsche! Ich wünsche dir ebenfalls ein wunderbares Jahr 2014, in dem viele deiner eigenen Wünsche in Erfüllung gehen.

      Liebe Grüße,
      Pandorah

      Löschen